Anderthalb Wochen ist es jetzt her, daß ich wieder aus Ägypten da bin….wieder mitten hinein in den Alltag, zwei verpasste Wochen aufholen, Erkältung nach Klimawechsel inklusive….aber einen Blogpost aus Ägypten habe ich noch in der Leitung.
Am ersten Kurstag im Nubischen Museum hatten wir uns ausführlich über eine Statue des Chephren unterhalten und uns angeschaut, was man eigentlich alles aus einer Statue herauslesen kann, wo sich Anknüpfungspunkte zu anderen Themen finden. Daran möchte ich euch auch gerne teilhaben lassen:
Museumsobjekte bieten vielfältige Herangehensweisen in der Vermittlung. Führungen in einem Museum orientieren sich natürlich an den vorhandenen Objekten, diese sollen jedoch nur einen Ausgangspunkt bilden, um Geschichten rund um sie herum zu erzählen und so – in unserem Fall – die altägyptische Kultur möglichst umfassend vorzustellen.
Als ein Beispiel was man alles aus einer Statue herauslesen kann, soll die Sitzstatue des Chephren aus dem nubischen Museum in Assuan dienen.
Das Beschriftungsschild gibt uns nur einen groben Anhaltspunkt, um was es sich hier handelt.
Wie können wir an der Statue ablesen, um wen es sich handelt?
Den Namen des Königs finden wir in den beiden Inschriften auf der Vorderseite der Statue. Ägyptische Königsnamen werden in Kartuschen geschrieben. Der kundige Hieroglyphenkenner liest hier „Cha-ef-Ra“: Chephren in der späteren Überlieferung.
Wieso schreibt man Königsnamen in Kartuschen? Was ist überhaupt eine Kartusche? Und wieso heißt sie so?
Eine Kartusche ist ein ovaler Ring mit einem Querstrich am Ende. Altägyptisch hieß sie „Schen“-Ring, die französischen Soldaten, die mit Napoleon in Ägypten waren, fühlten sich von der Form an ihre Patronenhülsen erinnert. Diese heißen französisch „Cartouche“.
Der Ring und die Linie stehen in der altägyptischen Vorstellung für zwei Begriffe von Ewigkeit. Der Ring ist die zyklische, immer wiederkehrende Ewigkeit neheh – alles wiederholt sich in einem ewigen Kreislauf: die Sonne wandert über den Himmel, die Phasen des Mondes, der Wechsel der Jahreszeiten, die Nilflut. Die Linie ist der Lauf der Zeit, die djet-Ewigkeit: Von einer Schöpfung ausgehend läuft die Zeit voran in alle Ewigkeit bis zu einem irgendwann stattfindendenden Weltenende.
Diese uns sehr fremde Vorstellung von zwei parallelen Ewigkeitsbegriffen ist typisch für die altägyptische Kultur, wo vieles zweifach, als Dualismus, auftaucht: Diesseits und Jenseits, Himmel und Erde, Götter und Menschen und vieles mehr.
Schaut man in der Inschrift höher, dann findet man einen weiteren Königsnamen, diesmal nicht in Kartusche geschrieben, sondern mit einem „Serech“, einer Palastfassade.
Auf dieser sitzt der Gott Horus in Falkengestalt, mit der Doppelkrone Ägyptens auf dem Kopf. Der König verstand sich als Stellvertreter des Gottes Horus auf Erden. So wie in der Götterwelt Horus nach dem Tod seines Vaters Osiris (dieser wurde zum Herrscher des Jenseits) Herrscher des Diesseits wurde, so ist der regierende König Horus auf Erden, sein verstorbener Vorgänger wird zu Osiris im Jenseits. Dies nennt man einen göttlichen Präzedenzfall. Was in der Götterwelt sich ereignete, hat auch Auswirkungen auf das Diesseits und das Leben der Menschen.
Horus trägt die Doppelkrone, die rote Krone Unterägyptens und die weiße Krone Oberägyptens. Traditionell hat man Ägypten in zwei Landesteile unterteilt. Unterägypten, das Delta, im Norden und Oberägypten bis zum ersten Katarakt im Süden. Der König verstand sich als Herr der zwei Länder und symbolisierte dies durch die Kronen, die auch einzeln getragen werden konnten. Auch hier taucht wieder der Dualismus auf!
Wieso aber nun ein weiterer Königsname? Neben seinem eigentlichen Geburtsnamen trug ein altägyptischer König noch 4 weitere Namen, die er mit der Krönung annahm. Dies sind der „Nesu-Biti“-Name, der Horusname, der Goldhorusname und der Zwei-Herrinnen-Name. Oftmals setzte sich der König mit der Wahl der Thronnamen in die Tradition eines Vorgängers – wir kennen heute ähnliches vom Papst.
Die Statue trägt also Namen und Titulatur Chephrens und ist ihm damit einigermaßen zweifelsfrei zuzuweisen. Einigermaßen zweifelsfrei? Ja, denn manchmal konnte es vorkommen, daß ein König die Statue eines Vorgängers nahm, dessen Namen aushacken ließ und seinen stattdessen draufschrieb. Die Zuordnung einer Statue zu einer Person geschah in Altägypten nämlich durch Namensnennung auf der Statue. Dieses Phänomen nennt man Statuenokkupation.
Schauen wir uns die beiden Inschriften an, so sehen wir, daß es zweimal dieselben sind, allerdings gespiegelt, so daß sich die Zeichen anschauen und zur Statue selber orientiert sind. Hieroglyphen kann man von rechts nach links und von links nach rechts anordnen. Bild/Statue/Inschrift bilden immer eine Einheit, deswegen können Inschriften auch mit variabler Richtung angebracht werden.
Hier könnte ein Exkurs zu den Hieroglyphen folgen, aber dazu habe ich ja schon geschrieben: Und das kann man lesen…?
Wenn wir die beiden Zeilen Inschrift miteinander vergleichen, dann können wir sehen, daß die auf der rechten Seite deutlich feiner und sorgfältiger gearbeitet sind als die auf der linken Seite. Es scheinen parallel verschiedene Handwerker an dem Stück gearbeitet zu haben.
Schauen wir auf die Seiten der Statue, so sehen wir auf drei Seiten ein Symbol: zwei Pflanzen sind um eine Hieroglyphe in der Mitte geknotet. Dies sind Lotos und Papyrus, die beiden Wappenpflanzen Ober- und Unterägyptens. Sie umschlingen das Schriftzeichen „sema“ – vereinigen. Das ganze Symbol ist zu lesen als „sema-taui“, die Vereinigung der beiden Länder und steht für das eigentliche Entstehen Altägyptens und somit den Beginn der altägyptischen Geschichte. Die erstmalige Vereinigung der beiden Länder wird dem legendären König Menes zugeschrieben – wahrscheinlich wird es wohl ein Prozess ein, der über mehrere Generationen hinwegging.
{An dieser Stelle könnte man noch weiter ausholen und über die Reichseinigungszeit sprechen, Stichwort: Narmerpalette}
Trotz allem musste jeder König mit Herrschaftsantritt erneut die beiden Länder vereinigen, manchmal nur symbolisch, manchmal auch in der Realität und deswegen finden wir dieses Symbol oftmals auf den königlichen Statuen.
Woran kann man aber noch erkennen, daß es sich um eine königliche Statue handelt? Ein Hinweis ist der sogenannte Königsschurz, ein sehr aufwendiger dreiteiliger Schurz, der sich im vorderen Bereich überlappt, ein weiterer Streifen hängt bis zum Knie herab. Durch die Riffelung des Steines ist eine Faltung des Schurzes angedeutet. Diese Faltung in den Stoff hereinzubekommen war sehr aufwendig. Manchmal wurde der noch nasse Stoff in Falten gelegt und so trocknen gelassen, manchmal hat man auch zwei gezackte Bretter genommen und zwischen diese den Stoff gelegt und so in Falten gepresst. Beides war ein sehr aufwendiger Prozess, den sich so wohl nur hochstehende Personen leisten konnten.
Der „Königs“schurz findet sich auch bei den Statuen anderer hochrangiger Personen und ist für sich allein genommen noch kein Hinweis auf eine königliche Darstellung.
Der Kopf der Chephrenstatue fehlt. Trotz allem kann man an den Bruchkanten noch Reste des Königskopftuches, des Nemes, erkennen. Das Nemes war aus festem Stoff hergestellt und wurde haubenartig über dem Kopf getragen. An der Stirn war es mit einem Metallreif befestigt, an dem sich meist noch eine Uräusschlange befand, im Rücken war es zu einem Zopf zusammengefasst, zwei Streifen des Kopftuches hingen auf die Brust herab. Auf diesen beiden ist eine Querstreifung zu erkennen. Diese Querstreifen waren gold (oder gelb) und blau bemalt. Eine bekannte Darstellung in Farbe ist die Goldmaske des Tutanchamun. Gold und blau waren in der Vorstellung der alten Ägypter die Farben der Götter. Gold war ihre Haut und ihr Fleisch, blau (Lapislazuli) waren ihre Haare. Diese Darstellung mit gelber Haut und blauen Haaren kennen wir auch von menschengestaltigen Särgen – es soll dabei die Vergöttlichung des Verstorbenen im Jenseits zeigen. Beim König dagegen weist es auf seine göttliche Natur hin. Der König war Gott und Mensch in einer Person. Das Nemes-Kopftuch war nur eine der königlichen Kopfbedeckungen. Die Doppelkrone hatten wir bereits bei der Horusdarstellung in der Inschrift gesehen, weitere Kronen waren die blaue Krone (eine Art Kriegshelm) und die Chat-Haube.
Wenn wir uns die Bruchkante des Kopfes ganz genau anschauen, so kann man in Höhe des Kinns noch den Ansatz des Königsbartes erkennen. Dieser Bart war kein natürlich gewachsener, sondern er gehörte zu den Königsinsignien dazu. Er war umgebunden, was man bei vollständigen Statuen an dem Band, das von Schläfe zu Kinn verläuft, erkennen kann.
Bei genauer Betrachtung ist zu erkennen, daß der König etwas in der rechten Hand hält. Es ist ein zusammengedrehtes Tuch, das die Form der Hieroglyphen „sa“ hat, was Schutz bedeutet. Die Zipfel dieses Tuches sind an der Seite des Oberschenkels zu erkennen, sie hängen unten an der Hand heraus.
Wenn wir uns zum Schluß die Statue als Ganzes betrachten, so können wir überall imaginäre parallele Linien erkennen, das unten stehende Bild deutet dies nur an, es ist von jeder Seite aus möglich. Dieses Gitternetz deutet auf den Herstellungsprozess der Statue hin. Auf einen zu bearbeitenden Block wurde auf jede Seite ein Gitternetz gezeichnet. In dieses kamen die unterschiedlichen Ansichten der Statue hinein, der Bildhauer begann, den Stein nach diesen Ansichten abzumeißeln. Nachdem aus dem Block die groben Formen herausgearbeitet wurden, trug man ein erneutes Gitternetz auf die Statue auf, brachte wieder die Innenzeichnung an, dann wurde weiter an der Statue gearbeitet. Statuen in verschiedenen Produktionsstufen sind aus dem alten Ägypten bekannt, so daß wir den Herstellungsprozess sehr gut nachvollziehen können.
Schlußendlich gibt es zu dieser Statue noch eine Parallele, die berühmte Chephren-Statue mit dem Falken in Nacken, die im Kairener Museum steht und auf dem ägyptischen 10-Pfund-Schein abgebildet ist.
Bestimmt hätte man zu der Statue noch viel mehr erzählen können, aber für den Anfang soll es erst einmal reichen – im Museum standen wir etwa 2,5 Stunden um die Staue 😉